Vor etwa zwanzig Jahren erhielt ich zum ersten Mal diesen Brief: „Jemand aus Ihrem Bekanntenkreis könnte sich vorstellen…“ Damals dachte ich, das könnte ich mir auch vorstellen, aber erst, wenn ich nicht selbst so viel um die Ohren habe, wenn ich weniger eigene Sorgen und somit ein offeneres Ohr für Sorgen anderer Menschen habe. Vor zwölf Jahren wurde ich dann von einer guten Bekannten ganz unerwartet angesprochen: „Das wäre doch was für Dich, das würde Dir Spaß machen!“ Spaß? Den hätte ich mit Telefonseelsorge nicht in Verbindung gebracht.
Ich habe mich vorgestellt, die Ausbildung begonnen und festgestellt: ja, es macht wirklich Spaß, mit den vielen tollen Menschen. Es war schon anstrengend, aufregend (diese Rollenspiele!). Aber ich habe viel gelernt, und die Zeit war auch für mich persönlich sehr hilfreich.
In die ersten Dienste bin ich aufgeregt, manchmal auch mit etwas Angst gegangen. Heute bin ich eher gespannt, was mich beim nächsten Anruf erwartet – und bereit für Herausforderungen.
In den Jahren habe ich viel über mich gelernt, durch Supervisionen und Fortbildungen. Manchmal konnte ich mit dem Gefühl nach Hause gehen, einem Anrufer geholfen zu haben. Häufiger aber kann ich ein Leid, eine sehr schwierige Situation einfach nur ein wenig mittragen…
Bei der Telefonseelsorge hält mich die Freude an der Arbeit, aber genauso die bunte Mischung der Mitarbeitenden, die vielen Menschen, mit denen ich sonst nicht in Kontakt gekommen wäre, mit denen gute, dichte Gespräche möglich sind, weil sie natürlich alle gut zuhören können. Und viele vergnügliche Stunden und Tage im Team miteinander haben wir auch.
Eine Mitarbeiterin der Evangelischen TelefonSeelsorge Essen
Dieser Text ist die leicht gekürzte Fassung eines Beitrags für die Festschrift „50 Jahre Evangelische TelefonSeelsorge Essen 1966 – 2016“, die anlässlich eines Festaktes zum Jubiläum am 15. April 2016 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wird. Zu ihrem persönlichen Schutz bleiben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Telefonseelsorge anonym.